Piep piep piep – piep piep piep … Es ist genau 6:30 Uhr und meine Uhr, die ich gestern Nacht noch gestellt habe, weckt uns pünktlich auf die Minute.
Es war wirklich frisch geworden heute Nacht. Aber zum Glück hat der Schlafsack ja noch ordentliche Reserven. Fjällräven hat sich schon etwas dabei gedacht, als sie auf ihrer Webseite einen Schlafsack empfohlen haben, der bis -5°C geht.
Es hilft nichts, wir müssen raus, auch wenn es im Schlafsack gerade so kuschelig warm ist. Also nehme ich mein schon so oft durchgeschwitztes Hemd mit in den Schlafsack und wärme es schon einmal für fünf Minuten vor.
So, das Hemd ist auf Temperatur, anziehen, raus aus den Federn und alles zusammenpacken. Der Tau liegt dick auf dem Zelt, so dass ich das Meiste gleich innen erledige und mich mit einem fertig gepackten Rucksack aus dem Zelt pelle.
Mit noch kleinen Äuglein brechen wir die noch feuchten Zelte ab. Dadurch wird es zwar ganz schön schmutzig, aber wir brauchen ja jede Minute.
Nachdem wir die Rucksäcke geschultert haben, gehen wir aus dem Lager. Schon jetzt, kurz vor sieben, steht unser Pancake-Mann wieder vor der Pfanne und versorgt fleißig die Teilnehmer. Ein wirklich unermüdlicher Einsatz.
Wir lassen das Lager hinter uns. Es war das erste Mal, dass wir direkt am Check-Point übernachtet haben und auch das erste mal, dass wir Zeltnachbarn hatten. Ansonsten ist genug Platz für jeden auf dem Classic.
Die Sonne ist bereits vor 3 1/2 Stunden aufgegangen, hat aber den Bergkamm noch nicht überquert, so dass es die erste halbe Stunde knackig frisch ist.
Aber als wir den See nach rund zwei Kilometern erreichen, kam die Sonne und belohnte uns mit knapp 18°C.
Entlang an der Seenkette im Naturreservat Abiskojaure, gibt es viele schöne Rastplätze zum Verweilen und Genießen. Nur nicht für uns, wir haben fest unser Ziel vor Augen. Die Goldmedaille ist schon zum Greifen nahe.
Noch vor 36 Stunden hatte ich in einem Motivationsloch den Gedanken: „Ach, falls es nur Bronze werden sollte, ist das auch ok.“ Was für ein Unsinn. Jetzt heißt es beißen.
Es liegen zwar schon 95 km in unseren Knochen, aber die Spüren wir gerade überhaupt nicht.
Schotterwege und Holzplanken wechseln sich ab. Und siehe da, ein roter Fuchs hängt am Baum, darunter steht: „10,5 km til mal“.
Genial, wir haben es fast geschafft. Noch rund 14.000 Schritte und wir sind da.
Es geht immer weiter. Wir merken die Strapazen der letzten Tage jetzt deutlicher und legen immer wieder kurze Pausen ein, um wieder Kraft und Motivation zu tanken. Und das fällt uns bei dieser schönen Landschaft nicht schwer.
Ein letztes Mal raffen wir uns auf, um die letzten drei Kilometer zu laufen.
Unter der Unterführung durch, sehen wir schon das Schild „550 m til mal“. Ab jetzt können wir es nicht mehr verfehlen. Einmal links und zwei mal rechts und schon erscheint die Zielgerade.
Auf den letzten Metern werden wir mit Beifall empfangen, einige stehen sogar auf und freuen sich mit uns, dass wir das Ziel erreichen. Ein unbeschreibliches Gefühl.
Und dann durchschreiten wir das Zielbanner. Unterstützt durch den Applaus klatschen wir uns in die Hände.
Wir bekommen unseren letzten Stempel in unseren Hiking-Pass und beide die Goldmedaille verliehen.
70 Stunden 14 Minuten und 49 Sekunden, das war unsere Zeit, in der wir uns die Classic Goldmedaille verdient haben.
Saubere Leistung! Vielen Dank Nils für diesen Lauf!